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Verkaufstrainer - oder: Wenn Satire zur Realität wird
23.07.2013 20:12

Am vergangenen Sonntag saß ich abends nach einem wunderschönen Tag mit einem Bekannten im Wohnzimmer und wir schauten uns ein Satirevideo an, das an seiner sprachwissenschaftlichen Fakultät gedreht wurde. Hauptdarsteller: Ein Schauspieler, der als Verkaufs- oder Personalitytrainer in einer Phantasiesprache und mit irrsinnigen Diagrammen und Zeichnungen auf Flipcharts Lebens- und Handlungstips zum Besten gab. Ein Brüller; denn gerade weil inhaltlich NICHTS zu verstehen, aber die Veranstaltung dennoch als Verkaufs-/ Personalitytraining zu erkennen war, musste man lachen.

Wenn nun ein Seminarthema erkennbar wird, obwohl semantisch keinerlei Thema existiert, dann wirft das ein interessantes Licht auf das nichtsatirische Pendant, das allen Ernstes in der Realität angeboten wird. Es mag sein, dass diese Verkaufstrainings zu einem gewissen Prozentsatz Inhalte vermitteln, die wirklich brauchbar sind - ich vermute jedoch, dass dieser Prozentsatz recht klein ausfällt.

Da ich beruflich hin und wieder auch in Berührung mit derartigen Trainern gekommen bin, schlug ich meinem Besucher am besagten Sonntagabend vor, einmal den Kurzclip eines mir bekannten Verkaufstrainers anzusehen. Unmittelbar im Anschluss an das eben erwähnte Satireprogramm. Und genau dies taten wir:

Ich rief Youtube auf, gab die Suchwörter "Bernd", dann den Buchstaben "W" und dann den Nachnamen "Klöckner" ein und klickte aus den Suchergebnissen das oberste an. DIESES hier.

Aufgrund der zuvor angeschauten Satire führte die nachgelieferte Realität erwartungsgemäß zu noch heftigeren Lachschüben - aber selbst aus der Distanz heraus müsste ein Beobachter dieses Clips entweder häufig lachen oder aber eine peinliche Fremdscham verspüren. Wahrscheinlich trifft beides zu.

Dieser Youtube- Clip stellt übrigens die Vorschau auf eine CD dar, die man für 14,90 Euro käuflich erwerben kann. Mit folgender Anpreisung:

  • "Es ist eine zweifelsohne besondere Audio CD. Bernd W. Klöckner® und Karsten Brocke sprechen über spannende Themen und wertvolle Gedanken. Rund um die Themen Verkauf, Vertrieb, Einstellung, Motivation. Sie erleben als Hörerin und Hörer etwas Einzigartiges. Einen PowerTalk zwischen zwei Verkaufstrainern, die heute einfach zu den besten Trainern der Branche gehören."

Powertalk? Wenn Klöckner und Brocke miteinander fabulieren, soll es eben mehr ergeben, als nur einen Talk - es wird dann zu einem Powertalk. Welch Kraft doch diese beiden Heroen des Wortes und der Psychologie haben und wie tiefgründig die vermittelten Inhalte sind ...

Aber bevor wir uns dem Inhalt widmen, seien erstmal kurz die Personalien geklärt:

Guck mal, wer da spricht

Karsten Brocke

Unter dem Menüpunkt "Vita"  auf Brockes Homepage findet sich... nichts aussagekräftiges, was darauf hinweisen könnte, auf welche konkrete Expertise aus Ausbildung oder Studium Brocke in seinen Seminaren zurückgreift. Mit 28 Jahren war er noch im Messebau als Vertriebler tätig und will dort seine Laufbahn als Verkaufstrainer begonnen haben. Drei Jahre später will Brocke in einem namhaften aber leider namenlosen Berliner Unternehmen "durch das Studium des Marketing- und Vertriebsweges" zum Verkaufsprofi ausgebildet worden sein. Aha. Der Rest der Vita ist noch schwammiger, den lassen wir hier mal weg.

Bernd W. Klöckner

Erlangte seinen Master of Arts im Rahmen seines Studiums an der Uni Karlsruhe im Bereich Erwachsenenbildung. Er ist diplomierter Betriebswirt . Mit welchem Abschluss er "ein universitäres Studium mit Schwerpunkt systemisches Management" absolvierte, bleibt unklar. Auf offenbar derselben Uni machte er seinen Master of business administration im Bereich Unternehmensführung. Es folgen einige Weiter- und Ausbildungen in Hypno- und Gesprächs- und systemischer Therapie.

Und der Dialog zwischen diesen beiden Gestalten soll voller Power sein, die man sich gewinnbringend abzapfen kann?

Schön wär's. Bereits das Intro verrät, dass die beiden Gesprächspartner einfach nur gerne zeigen, welche Früchte ihre eigene Power betreits trägt: Power in Form von Chesterfieldsesseln, Parkettboden, Kaminofen und meterhohen Wandregalen voller Bücher. Diese Power ist leider nicht mehr anzapfbar, weil bereits ins Grundbuch eingetragen.

Aber immerhin sind die beiden ehrlich; denn im Titel nennen sie sich "Verkaufsprofis" und somit sollte jeder wissen: Die beiden wollen verkaufen. Sich. Und die edle Umgebung erweckt den Anschein, dass sie erfolgreich darin sind. Allerdings ist es fraglich, ob beide so erfolgreich wären, wenn sie Waren oder Dienstleistungen verkaufen müssten, die nicht das eigene Ego darstellen. Ich bezweifle das sehr.

Und so kommt es, wie es kommen muss: Einer preist die Leistungen des anderen an. Abgelesen zwar und mit unsicheren Nachfragen, aber immerhin bemüht empathisch. Ob Bemühung allerdings ausreicht, wenn man sich "Persönlichkeitstrainer" nennt, ist mehr als zweifelhaft. Wie oben schon erwähnt, beträgt der Preis der kompletten Produktion "Powertalk" satte 14,90 Euro - dafür ist die Qualität jedoch bereits im Teaser denkbar schlecht und der Preis sicherlich unangemessen hoch.

Nun aber zur Sache:

Klöckner lässt den ersten Verkaufskracher los, der mit 70 Sekunden langer Weile bereits rund 2 Euro des CD-Wertes ausmacht: Er trägt ein Gleichnis vor: Irgend so ein dummer Reisbauer versucht laut Klöckner ernsthaft, das Reiswachstum durch Hochzupfen der Keimlinge zu beschleunigen. Das geht erwartungsgemäß grandios schief und der Reisbauer hat seine komplette Ernte versaut. Geile Geschichte.

Aber nun kommt der echte Kracher:

Unser blitzblank gescheiter Klöckner erkennt in diesem Gleichnis nicht etwa die Botschaft, dass man dem ausgesäten Samen die notwendige Zeit für seine Entwicklung lassen muss, damit die Ernte etwas wird - nein, unser powertalkender Bernd stellt fest (ich zitiere):

  • "Säen ist immer harte Arbeit"

Also... wenn ich die Seichtigkeit von Bernds Gleichnis und die darauffolgende Fehlinterpretation betrachte und weiß, dass er daran ca 2 Euro verdient, ist das ein Beweis dafür, dass man durchaus auch ohne nennenswerte geistige Anstrengung Samen aussäen und ernten kann. Denn nochmal: Die beiden Herrschaften machen mit dem vorliegenden Video Werbung zur eigenen Person und dieses gar nicht mal so gut.

Wieviel übrigens Bernd W. Klöckner von der Rhetorik Brockes hält, ist vielleicht an dem Blick von Klöckner zu erraten, der etwas genervt von der verpatzten Überleitung Brockes von ebendiesem ablässt. Ein Blick sagt manchmal mehr als Worte.

Und Klöckner hat Recht: Mensch, Brocke - Du hast die Einleitung komplett versaut!

Aber andererseits: Mensch Klöckner, was hat eine Pipeline, in die man vorn nix reinsteckt, sodass hinten nix rauskommt, mit dem Reisgleichnis zu tun? 

Nach dem Klöcknergeläut folgt dann die Glocke von Brocke

Brocke möchte uns zum Wissensbesitzer machen. "Na, wenn das mal ausreicht", dachte ich mir "Wissen sollte man nicht nur besitzen sondern auch anwenden können." Aber Brocke reicht der alleinige Besitz von Wissen völlig aus. So hat eben jeder seine Ansprüche. Und dass Brocke Wissen besitzt, zeigt sein weiterer Vortrag:

Jeden Tag eine Stunde in Wissen investieren und dabei bitte weder Lösungen anderer googeln, noch "wikipedien" (er hat tatsächlich aus dem Begriff "Wikipedia" ein Verb gebildet...) oder suchen. Wie man ohne Suche auf Brockes eigene feilgebotene Lösungen stoßen soll - das verschweigt unser Großwissensbesitzer. Wahrscheinlich legt er für die Findbarkeit seiner eigenen WebSite auch keinerlei Wert auf gute Positionen in Suchmaschinen wie Google & Co. Wie kann man nur einen solch widersprüchlichen und dummen Salbader ablassen.

Bei Brocke nix gelernt, kommt wieder die Schalte zum Bernd:

Im folgenden Schnitt kommt das obligatorische Flipchart mit dem unvermeidlichen Koordinatensystem. Egal, was für einen Quark irgendein Coach daherredet - Quark passt immer in ein Koordinatensystem. Es gibt auch meist zwei Quarksorten, meist mit Sorte "A" und Sorte "B" beschrieben. So einfach ist die Welt.

So auch hier. Klöckner erzählt wieder eine denkwürdige Geschichte:

Person A wurschtelt in seinem Berufsleben wie üblich herum. Macht jeden Tag das Gleiche, erreicht nichts außergewöhnliches. Man sollte meinen, dies zeichne sich in einer zur X-Achse parallelen Linie bei einem kleinen Wert auf der Y-Achse ab. Weit gefehlt - es ist eine leicht ansteigende Kurve. So wurschtelig ist A also gar nicht?

Lustigerweise ist wohl just zum Zeitpunkt der bedeutungsschweren klöcknerschen Skizze der Kameramann mal eben eine rauchen gegangen oder er musste Wasser abschlagen oder eine Münze in die Parkuhr werfen - auf jeden Fall ist die Leistungskurve von Person A im Bild nicht sichtbar. Unser Bernd wirkt beim Zeichnen der Kurve darum auch etwas eigenartig.

Aber Person B ist auch die weitaus interessantere; denn die macht laut Klöckner jeden Tag EINEN Schritt mehr. Wohin er ihn mehr macht, sagt er nicht. Zum Bäcker vielleicht oder auch zur Parkuhr, wo er den Kameramann getroffen hat und sich mit diesem unterhält, sodass er immer noch nicht die Kurve von A oder B in die Linse nimmt - man weiß es nicht. Aber "einen Schritt mehr machen" klingt so positiv, so erfolgreich. 

Nun weiß jeder, der jemals im Matheunterricht ein Koordinatensystem beigebracht bekam, dass eine Steigerung jeden Tag um exakt ein- und denselben Wert eine lineare Kurve ergibt. Aber: Unser Bernd hat sich derart in Power getalkt, dass er eine exponentiell wirkende Kurve ins System schmiert. Und am Ende stellt Bernd völlig zu Recht beim Anblick seines Koordinatenquarks folgende Frage:

  • "Wie ist es B gelungen, derart erfolgreicher zu sein, wie Person A?"

​Tja, Herr Klöckner, denken Sie einmal darüber nach...das ist nämlich nach Ihren Schilderungen unmöglich. Wie zur Hölle konnte B derart erfolgreich sein? Ob ein Betriebswirt mit Diplom wohl auf die Lösung kommt?

Die Erkenntnis, die Klöckner nun aus dem Koordinatensums entwickelt, ist folgende:

  • "Arbeiten Sie hart, straffen Sie Ihre Disziplin"

Mal ehrlich: Sind solche Binsenwahrheiten wirklich 14,90 Euro wert? Und muss man dafür unschuldige Koordinatensysteme vollfilzen?

Was Klöckner vergeigen kann, kann Brocke toppen

Brocke lässt sich auch nicht lumpen und tischt zum Abschluss nochmal so richtig (!) auf: Mit einem gewagten Filmschnitt weg von Klöckner aus der Ferne und hin zum Brocke direkt ins Gesicht, spricht dieser mit bedeutsam hochgeschobenen Augenbrauen unvermittelt folgendes:

Bei solch brutalen Filmschnitten ist man auch froh darüber, dass es ein Gedächtnis gibt, das manche Erlebnisse nur ultrakurz erinnert. Mich erinnerte diese Szene an eine Tamponwerbung von 1994: Plötzlich steht da eine Frau in der Mattscheibe und faselt im Halbdunkel, dass die Geschichte der Menstruation eine Geschichte voller Missverständnisse sei.

Es ist schon Wahnsinn, was Brocke so an Wissensbesitz hat - 7 Sekunden könne unser Ultra-Kurzzeitgedächtnis etwas erinnern. Dies beweist er auch anhand der überraschenden Frage, wie sein vorletzter Satz lautete. Dass dieser Satz nun dank Filmschnitt und starrenden Augenbrauen vor Schrecken verschüttgegangen sein könnte, zählt jedoch nicht.

Und dann offenbart Brocke an eigener Person, dass es nicht ausreicht, Wissen nur zu besitzen. Könnte Brocke nämlich dieses Wissen um das Mehrspeichermodell und die Interaktion von Ultrakurz-, Kurz- und Langzeitgedächtnis auch anwenden, würde er nicht zu folgendem Schluss kommen:

  • "Wenn ich die ersten 7 Sekunden verhaue, kommt in das Gehirn des Kunden (...) rein 'oh, wer weiß, wer weiß, wer weiß' und nicht 'oh, toller Typ'"

​Zwei Dinge:

  1. In Versuchen zum UKG (Ultra-Kurzzeitgedächtnis) bereits in den 60er und 80er Jahren wurde festgestellt, dass die Speicherzeit ca. 2 Sekunden (meist weniger, je nach Präsentationsmodus) beträgt und ihre Aufgabe lediglich darin besteht, "am Ende des Wortes seinen Anfang noch zu kennen". Eine reine Überbrückungsfunktion in kleinster Einheit und vor allem: Keine 7 Sekunden. Brocke verwechselt das mit dem Kurzzeitgedächtnis. Uups...
     
  2. Brocke hat offenbar irgendwo einmal 7 Sekunden aufgepasst und sich irgendwas zum Ultra-Kurzzeitgedächtnis gemerkt und hat dieses Fragment in seinen Wissensbesitz genommen. Da er ja ein Powertyp ist und sicher auf Rendite Wert legt, vermehrten sich die 2 Sekunden in seinem Besitz auf wahnsinnige 7 Sekunden. In seinem Vortrag überrascht er dann mit dieser missverstandenen und falsch wiedergegebenen Prise Wissenschaft und will dabei doch eigentlich nur mitteilen: Der erste Eindruck muss stimmen, wenn man einen fremden Menschen beeindrucken will. Sag das doch gleich...

Dass Brocke dann noch einen ungewollt peinlichen Gag über Homosexualität probiert und die daraus mit einigem guten Willen interpretierbare Toleranz dann zunichte macht, indem er betont, dass er doch lieber Frauen anbaggert, als Männer, weil es besser zu ihm passt, macht den Mumpitz dann auch nicht mehr besser. Wie ein alberner Pennäler einer katholischen Schule distanziert er sich persönlich von jeder Verdachtsmöglichkeit, er könne womöglich einmal einen Mann anflirten. Ihgitt, Brocke doch nicht, das ist ja widerlich.

Mensch, Brocke: Ein bisschen souveräner - so, wie man es von einem Persönlichkeitstrainer erwarten können sollte! 

Aber egal ob Mann oder Frau: Wer es mit einer Anmache nach Art von Brocke probiert, dürfte stets abblitzen.

Komm mal bitte zum Ende, mir ist schon übel von all dieser inhaltslosen Selbstgefälligkeit

Im Abspann macht Klöckner dann auch deutlich, worauf er abzielt: Verkaufen kann unglaubliches Geld bringen. Sein Motiv ist Geld und zwar unglaublich viel. Das ist auch das Motiv der gierigen Verkäufertypen, die sich auf die Schnelle mit Klöckner & Co. mal eben weiterbilden wollen und durch Ihre Gier an der verkäuferischen Cleverness von bspw. Brocke und Klöckner ihren Meister finden. 

Insofern ist der abschließende Spruch, den Klöckner und Brocke in seliger Einigkeit aussprechen, auch völlig korrekt:

  • "Wer denkt, Kompetenz sei teuer, der sollte es mit Inkompetenz versuchen..."

... und die überteuerten Bücher und CDs von Brocke und Klöckner kaufen?

Nicht aufgrund solcher Video-Teaser, die Herren.

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