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Snowden ist schuld, dass die USA uns mit Terrorwarnungen nerven
06.08.2013 21:01

Kaum plaudert Snowden die polizeistaatlichen Methoden der USA aus, ereilen die Welt täglich neue Meldungen über geplante Terroranschläge. Medienwirksam werden sämtliche Botschaften geschlossen und heute soll in der US-Botschaft zu Mailand ein Brief eingegangen sein, der "möglicherweise eine Briefbombe" ist. Wieviel Hollywood muten uns die USA noch weiter zu?

Eines ist klar: Die Tatsache, dass Snowden die USA kalt erwischte, als er die massenhafte Ausspäherei seines Heimatlandes in die Öffentlichkeit trug, wird die US-Regierung mächtig unter Druck gebracht haben. Was tun, wenn jemand den NSA- Job zu einem beispiellosen Whistle-Blowjob machte und die Russen diesen Lümmel nicht rausrücken wollen?

Nachdem der erste Überraschungseffekt verklungen war, hat man in den USA offenbar nunmehr eine Taktik entwickelt:

Wenn die eigenen Bürger und die EU aufgrund der Spitzelei von "Demokratieverlust", "Verfassungsbruch" und "Polizeistaat" reden und beim Spitzeln offenkundig keinen Spaß verstehen und selbst das Schweigen bspw. der deutschen Kanzlerin keinen nachhaltig beschwichtigenden Effekt auf die Menschen hat - dann ist man in Beweisnot. Wenn die Spitzelei verfassungsrechtlich "unverhältnismäßig" ist, muss man eben andere Verhältnisse schaffen.

Und somit nimmt es nicht wunder, wenn vor einigen Tagen weltweit 19 amerikanische Botschaften medienwirksam geschlossen wurden. Man habe ein Telefonat abgehört und daraus Dinge erfahren, die die Schließung von 19 Botschaften erforderlich machten.

Seit einiger Zeit fliegen die USA dabei verstärkt Drohnenangriffe auf diverse Ziele, die als terroristische Brennpunkte bekannt waren. Dazu war zwar das abgehörte Telefonat von keiner Bedeutung, aber wenn es knallt und entweder Terroristen oder Zivilisten getötet werden, hat man doch schon drei Fliegen mit einer Klappe geschlagen:

  1. Terroristen getötet
    Diese Variante bescheinigt den USA Erfolg, bringt Zustimmungswerte.
     
  2. Zivilisten getötet
    Diese Variante sorgt für weiteren Hass der Hinterbliebenen auf die USA. Die Hinterbliebenen sind vielleicht bereit, sich ausbilden zu lassen oder eine Botschaft zu attackieren. Praktisch - dann erfüllt sich die weltweit gestreute Info, dass die Terrorgefahr wächst, wie von selber.
     
  3. Terroristen, Zivilisten oder keiner getötet
    Diese Variante ist auch okay, man hat Aktivismus gezeigt, es hat geknallt, man sieht, dass die USA sich für unsere Sicherheit so richtig ins Zeug legen.

Nach guter alter Cowboy-Manier wird also erstmal wild um sich geschossen, Hauptsache, es herrscht rumble in the jungle und die abstrakte Terrorgefahr wird visualisierbar, hörbar, greifbar.

Und damit es die Bürger auch richtig spüren, wie sehr der Terrorist ihnen im Nacken sitzt, gehen natürlich auch Reisewarnungen weltweit heraus. Das ist praktisch: Die Urlauber werden so richtig erschreckt, treten ihre Reise nicht an und lassen sich die Kosten von der Versicherung erstatten. Also kein Schaden für die Urlauber, aber sicherlich erhöhte Akzeptanz der verprellten Feriengäste hinsichtlich der Abhörmachenschaften ihres Staates:

  • "Wow, wir mussten den Urlaub absagen, dass uns der Terror einmal derartig nahe kommen würde, hätten wir nie gedacht".

Das US-Außenministerium weiß übrigens heute schon, dass die Gefahr nur bis Ende August besteht. Wie praktisch, dass das abgefangene Telefonat offenbar nicht nur die Durchführung der Terrorwelle erläuterte, sondern auch, ab wann die Aktuere ihre terroristischen Bemühungen auf jeden Fall wieder einzustellen hätten.

In vorgenanntem Artikel der ZEIT klingt interessanterweise ebenfalls an, was oben im Text bereits skizziert ist: Dank Drohnenangriffe sind die Terroristen nun sauer und wollen Rache. Self fulfilling prophecy - and very useful for Obama.

Ohnehin: Drohnenangriffe machen nicht nur bestehende Terroristen sauer, sondern sie machen überhaupt erstmal Terroristen. Überflögen iranische Drohnen beispielsweise die USA und ließen dort das Eine oder Andere fallen, dann stünden in den USA auch ruckzuck hunderte von Terroristen bereit. Die heißen dort dann aber Soldaten. Und es wären sicherlich viele amerikanische Söhne bereit für die Army, deren Familien durch die iranischen Drohnen Verluste erlitten haben. Es ist immer dasselbe.

Wie dem auch sei - sämtliche Länder, die die USA unterstützen (und Snowden im Stich lassen...), fühlen sich nun auch verunsichert und schließen ebenfalls Botschaften bzw. geben Reisewarnungen heraus. 

Wenn diese Unterstützerländer die Sicherheit ihrer eigenen Bürger nun wirklich ernstnähmen, stellten sie die Unterstützung der USA hinsichtlich deren verlogenen, unrechten und massenhaft tödlichen Eingriffen in anderen Ländern endlich einmal ein. Dann gäbe es keinen Grund dafür, immer dann Angst zu haben, wenn die USA besorgt sind. Dann trügen die USA die Konsequenzen ihrer Wunschpolitik endlich einmal selber und alleine.

Aber so schweigsam, wie unsere Politiker zu den Polizeistaatenthüllungen eines Snowden waren, so laut werden sie die aktuelle Terrorinszenierung der USA zugunsten des Ausbaus eigener Spitzelinstrumente für sich nutzen.

Mir bleibt nur zu hoffen, dass die Mehrheit der Menschen sich nicht durch den us-amerikanischen Terror mit dem Terror verängstigen lässt und es verhindert, dass Regierende die verfassungsmäßigen Bürgerrechte wegen einer nicht akuten und bestenfalls vorsätzlich selbst geschaffenen Gefahr sukzessive abschaffen. 

Aber angenommen, eine US-Botschaft würde attackiert und angenommen, dieser Anschlag würde tatsächlich nachweislich von Terroristen begangen - das hätte immer noch keinerlei (!) Aussagekraft bezüglich einer etwaigen Bedrohungslage in Europa oder den Staaten. Es ist nur eine der folgenden Varianten:

  1. Im Falle echter terroristischer Anschläge:
    Ausdruck des lokalen (!) Zorns von Einheimischen über die kriegerischen Tätigkeiten der USA in deren Heimat und damit ebenso schrecklich wie jedoch auch nachvollziehbar.
     
  2. Im Falle gefakter Anschläge:
    Ausdruck der perfiden us-amerikanischen Politik, der nichts zu schäbig ist, um ihren Willen durchzusetzen.

Ob nun zu eins oder zu zwei: All das rechtfertigt nicht die komplette Überwachung der Zivilbevölkerung der USA und der EU und sonstiger befreundeter, friedlicher Staaten. Ich möchte vertrauliche Mails verschicken und vertrauliche Telefonate führen können. Will meine SMS nur vom gewünschten Empfänger empfangen wissen. Und möchte meinen Computer nicht über Hackerangriffe, Viren - und Trojanerbefall auch noch gegen die eigene hierzulande gewählte Regierung schützen müssen!

Bleiben wir also nüchtern und wachsam.

Lassen wir es nicht zu, dass unsere Freiheitsrechte mittels plumper Ablenkungsmanöver ausgehöhlt werden.

Und schauen wir fassungslos-amüsiert zu, welche Säue die USA bis Ende August noch durchs Dorf treiben und welche Special-Effects sie dafür auffahren.

Darf's noch ein wenig Popcorn sein? Licht aus, Vorhang auf und Film ab!

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